KI im Pharmaumfeld: Erstellung eines Wechselwirkungsgraphen

von Andreas Scheidmeir

Motivation

Durch die Fülle an Präparaten ist es heutzutage selbst für geschulte Health Care Professionals schwer, einen Überblick über sämtliche Wechselwirkungen zwischen pharmazeutischen Wirkstoffen zu erhalten. Die Nebenwirkungsinformationen liegen in Textform innerhalb der Fachinformation eines Präparats zwar vor, jedoch ist es schwierig, alle Beziehungen zu anderen Wirkstoffen mühelos zu erfassen. Nachschlagewerke wie die die Gelbe Liste oder Lauer-Taxe existieren, bieten aber nur eine eingeschränkte Übersicht für Laien oder kosten von vornherein eine Gebühr.

Daraus entstand die Idee, solche Informationen in einem Graphen zu bündeln, um so eine einfache Visualisierung der Abhängigkeiten zu ermöglichen. Als Ausgangsmaterial dienen frei verfügbare Fachinformationen, die mittels KI automatisch durchsucht werden.

Vorgehensweise

Das Vorgehen teil sich grob in zwei Schritte: das Training von Textklassifikatoren und die Erstellung des Graphen.

Als Trainingsdaten für den Klassifikator dienen Fachinformationen, in denen Wirkstoffe (Substances) sowie Azrneimittelgruppen (Groups) erkannt werden sollen. Da für die Texterkennung, wie bei den meisten Machine Learning Verfahren, große Trainingssätze benötigt werden, versuchen wir die Verschlagwortung teilweise zu automatisieren. Dazu können alle Substantive der Fachinformationen mittels PoS (Part of Speech) Tagging extrahiert und mit Listen von Wirkstoffen (Quelle DIMDI) und Arzneimittelgruppen (Quelle: pharmawiki.ch) verglichen werden. Bei einem Treffer wird die Stellen entsprechend annotiert. Um zuverlässige Ergebnisse zu erhalten kommt man aber nicht drum herum, zumindest den Test/Validierungsdatensatz manuell zu verschlagworten. Diese Arbeit kann aber mit Annotationstools wie Prodigy deutlich vereinfacht werden. 

 

Mit dem trainierten Klassifikator können dann Wechselwirkungen innerhalb der Fachinformationen entdeckt und in den Graphen übertragen werden. Dieser besitzt dabei drei Ebenen: 

Die höchste Ebene bilden die Arzneimittelgruppen. Sie bilden eine hierarchische Struktur, unter der die Wirkstoffe angeordnet sind. Wie im Bild angedeutet können auch hier Unterabhängigkeiten existieren, wenn es sich um ein Kombipräparat handelt. An den einzelnen Wirkstoffen hängen dann die Präparate mit all ihren Ausprägungsformen. 

Ausgangspunkt einer Wechselwirkung ist immer der/die in der Fachinformation genannte/n Wirkstoff/e. Das Ziel kann ein weiterer Wirkstoff oder eine gesamte Gruppe sein. Alle Knoten unterhalb des Ziels stellen entsprechend auch eine Wechselwirkung dar. Die (fiktive) im Bild dargestellte Wechselwirkung zwischen Cotrimoxazol und ACE-Hemmern hat somit zur Folge, dass auch eine Wechselwirkung zwischen Cotrimoxazol und Benazepril sowie Ramipril (und anderen ACE-Hemmern), wie auch ihren Präparaten existiert.

Wechselwirkungen werden dabei als gerichtete Kanten gespeichert, sodass der Ursprung immer bekannt ist. Im Idealfall sollte natürlich auch eine entsprechende Kante zurück existieren, wie zwischen Ramipril und Candesartan angedeutet, sofern eine signifikanten Wechselwirkung vorliegt.

Im ersten Ausbau wird die Art oder Stärke der Wechselwirkung nicht weiter berücksichtigt. Lediglich die Erwähnung eines Wirkstoffs/Gruppe reicht aus, um eine Kante zu erzeugen. In Zukunft könnte dies erweitert werden, um z.B. zu unterscheiden, ob eine Wechselwirkung in Studien erkannt wurde, keine Wechselwirkungen festgestellt wurden (also diese Kombination sicher ist) oder keine Studie existiert.

Sobald der Graph aufgebaut ist sollen Nutzer darüber in der Lage sein, Wechselwirkungen einfacher zu erfassen und diesen zu folgen. Für unterschiedliche Gruppen können entsprechend verschiedene Ansichten des Graphen erstellt werden. Für Patienten kann z.B. eine gefilterte Liste erzeugt werden, die nur ihre Präparate beinhaltet, wohingegen Fachpersonal z.B. auf Gruppenebene Wechselwirkungen überprüfen können.

Fazit

Ziel des Graphen ist es natürlich nicht, den Rat des Arzt oder Apothekers bzw. Fachinformation/Packungsbeilagen zu ersetzen und es kann keine Garantie auf Vollständigkeit gegeben werden. Vielmehr soll damit Fachpersonal in ihrer Tätigkeit unterstützen werden, indem eine bessere Übersicht geboten wird. Des Weiteren kann der Graph als Technologiegrundlage für zukünftige Projekte dienen.

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